Antwort auf den offenen Brief der Bürgerinitiative „Pro Gewerbegebiet Maring-Noviand“
Antwort auf den offenen Brief der Bürgerinitiative „Pro Gewerbegebiet Maring-Noviand“
Maring-Noviand, 08.12.2025
Sehr geehrter Herr Ehlen, sehr geehrte Mitglieder der Bürgerinitiative,
vielen Dank für Ihren offenen Brief und für Ihr Engagement im öffentlichen Austausch. Ich möchte dies zum Anlass nehmen, verschiedene Punkte noch einmal transparent und klar zu erläutern.
Einzelne in der öffentlichen Debatte geäußerten Aussagen bedürfen einer sachlichen Klarstellung:
- Entscheidungsgrundlagen der Ortsgemeinde
Die Beschlüsse des Gemeinderates erfolgen ausschließlich auf Grundlage der geltenden gesetzlichen Regelungen. Persönliche, familiäre oder ideologische Motive sind nicht Entscheidungsgrundlage und haben bei der kommunalen Willensbildung keinen Einfluss.
Planungsbegriffe wie „Gewerbegebiet“ oder „Industriegebiet“ ergeben sich ausschließ-lich aus dem Bauplanungsrecht und den entsprechenden Festsetzungen eines Bebauungsplanes. Eine davon abweichende Darstellung ist sachlich unzutreffend.
- Demokratische Legitimation
Sowohl die Mehrheit des Gemeinderates als auch ich selbst haben sich im Rahmen der Kommunalwahlen 2019 und 2024 öffentlich gegen die Entwicklung eines großflächigen Interkommunalen Gewerbegebietes in der hier zur Diskussion stehenden Größenord-nung ausgesprochen. Die Bürgerinnen und Bürger haben ihre Wahlentscheidung auf dieser Grundlage getroffen. Die Entscheidung des Gemeinderates spiegelt daher nicht nur eine Mehrheitsmeinung wider, sondern entspricht dem offenen, demokratisch legitimierten Auftrag der Wählerinnen und Wähler.
Die Unterstellung einer nicht sachgemäßen und von persönlichen Motiven geleiteten Arbeit der Gemeinde weise ich daher entschieden zurück.
- Projekt „Turbo-Flächen“ der Landesregierung RLP
Das Land Rheinland-Pfalz hat unsere Fläche ausschließlich aufgrund des von der Verbandsgemeinde angepassten Flächennutzungsplans in die Auswahl der 13-Turbo-Gebiete mitaufgenommen, ohne die politischen Verhältnisse vor Ort und damit die mehrheitliche Ablehnung des IKG zu kennen.
Es war somit meine Pflicht als Ortsbürgermeister und Verpflichtung gegenüber unseren Bürgerinnen und Bürgern, die Landesregierung diesbezüglich zu kontaktieren und unverzüglich über die bestehende Situation zu informieren.
In der Pressemitteilung der Landesregierung heißt es: „Die Größe und Lage dieser Flächen sollen gezielt Interesse für Großinvestitionen wecken – ähnlich dem Beispiel Eli Lilly in Alzey.“ (https://mdi.rlp.de/themen/raumentwicklung-in-rheinland-pfalz/turboflaechen). Dies impliziert, das kleine und mittelständische (Familien-) Betriebe gar nicht bei der Planung solcher Gebiete bedacht werden, sondern lediglich Raum für international agierende Konzerne geschaffen werden soll.
Steuerliche und förderrechtliche Aspekte
Steuerliche Einnahmen sowie mögliche Fördermittel unterliegen festen gesetzlichen Rahmenbedingungen und sind nicht frei interpretierbar. Förderzusagen des Landes liegen derzeit nicht verbindlich vor. Eine rechtliche Verpflichtung der Gemeinde zur Realisierung des Projektes besteht nicht.
- Zur Diskussion über mögliche wirtschaftliche Auswirkungen und fehlender politischer Unterstützung
Es ist legitim Chancen und Risiken unterschiedlich zu bewerten. Ebenso ist es selbstver-ständlich, dass unterschiedliche Interessengruppen unterschiedliche Prioritäten sehen. Dass der Gemeinderat das Projekt ablehnt, bedeutet nicht, dass er sich grundsätzlich gegen wirtschaftliche Entwicklung ausspricht. Die Gemeinde ist im Rahmen ihrer Planungshoheit berechtigt und (den Bürgern gegenüber) verpflichtet, Chancen und Risiken eines Vorhabens sorgfältig abzuwägen, insbesondere im Hinblick auf finanzielle Belastungen, langfristige Folgekosten und strukturelle Auswirkungen.
- Sachliche Gründe der Ablehnung
Die Entscheidung des Gemeinderates beruht auf sachlich begründeten Bedenken, unter anderem hinsichtlich:
– erhebliche Eingriffe in Landschaft und Ökologie
– nachhaltiger Beeinträchtigung der Wohn- und Lebensqualität
– eine für die heutige Zeit zukunftsorientierte Dorfentwicklung wäre ausgeschlossen
– finanzieller Risiken für eine kleine Ortsgemeinde
– Überschreitung einer für die Ortsstruktur angemessenen Gebietsgröße
– fehlender Vereinbarkeit mit moderner, nachhaltiger Dorfentwicklung
– zweifelhafter langfristiger wirtschaftlicher Tragfähigkeit
Die Gemeinde ist nicht verpflichtet, sich an Vorhaben zu beteiligen, aus denen überwiegend Belastungen entstehen und deren Nutzen in keinem ausgewogenen Verhältnis dazu steht.
Immer mehr Gemeinden erkennen, dass wir an einem Wendepunkt stehen. Die Heraus-forderungen der Klimakrise, der Schutz wertvoller Naturflächen und die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen verlangen neue Formen des Denkens und Handelns. Doch gerade darin liegt eine große Chance. Denn überall zeigt sich, wie viel Kraft entsteht, wenn Menschen bereit sind, neue Wege zu gehen und ihre Zukunft aktiv gestalten.
Lange galt die Ausweisung neuer Gewerbeflächen als einfacher und schneller Weg, um Entwicklung zu ermöglichen. Heute zeigt sich jedoch immer deutlicher, dass echte Zukunftsfähigkeit andere, nachhaltigere Lösungen braucht. Viele Orte entdecken, dass ihr größtes Potenzial nicht im Verbrauch neuer Flächen liegt, sondern in Ideenreichtum, Gemeinschaftssinn und einer Wirtschaft, die sich mit Rücksicht auf Natur, Landschaft und Lebensqualität weiterentwickelt.
Besonders deutlich wird dies insbesondere in kleinen Ortsgemeinden, wie Maring-Noviand mit rund 1.500 Einwohnern, für die großflächige Planungen, wie die Ausweisung von 62 ha Gewerbefläche in keinerlei vernünftigem Verhältnis zur Größe und zum tatsächlichem Bedarf der Gemeinde stehen.
Zukunftsorientierte Gemeinden setzen zunehmend auf intelligente Nutzung bestehender Strukturen, auf regionale Wertschöpfung, moderne Arbeitsformen, nachhaltige Energie, auf Kultur, Tourismus, Ehrenamt und ein aktives, mitgestaltendes Miteinander.
Diese Wege mögen manchmal anspruchsvoller sein, aber sie führen zu Ergebnissen, die dauerhaft tragen. Sie schaffen Perspektiven, ohne zu zerstören. Sie verbinden wirtschaft-liche Entwicklung mit ökologischer Verantwortung.
- Zukunftsorientierte Ortsentwicklung
Die Ortsgemeinde setzt weiterhin auf eine maßvolle und bedarfsorientierte Entwicklung, die auf Lebensqualität, Dorferneuerung, lebendiges Miteinander, weitere Reduzierung von Leerstand, Stärkung bestehender Betriebe sowie nachhaltige Nutzung vorhandener Flächen ausgerichtet ist. Grundlage hierfür sind unter anderem die Konzepte „Zukunft-Check-Dorf“ und „Wohnpunkt RLP“.
- Umgang in der öffentlichen Debatte
Eine lebendige Demokratie lebt von unterschiedlichen Meinungen. Entscheidend ist jedoch, dass diese sachlich, respektvoll und lösungsorientiert geführt werden. Pauschale Unterstellungen oder persönliche Wertungen tragen nicht zu einer konstruktiven Diskussion bei und entsprechen nicht dem Stil, den wir uns für das Miteinander in unserer Gemeinde wünschen.
- Ausblick und Klärung von Missverständnissen
Ich nehme die Anliegen der Bürgerinitiative ernst und bin weiterhin gerne bereit, offene Fragen in einem sachlichen und konstruktiven Dialog zu erörtern.
Ziel bleibt eine nachhaltige, verantwortungsbewusste und generationengerechte Entwicklung unserer Gemeinde. Für Hetze, Verdrehungen und persönliche Angriffe ist dagegen kein Platz.
Gerne stehe ich auch allen Bürgerinnen und Bürgern persönlich für ihre offenen Fragen zur Verfügung, um die Gründe für unsere Entscheidungen transparent und offen zu erklären.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Becker
Ortsbürgermeister